KURIER:Für die Tour wurde in einer alten Berliner Fabrik geprobt, da, wo einst die Mauer stand. Was war das für ein Gefühl?
Bill Kaulitz: Das spielte ehrlich gesagt keine Rolle. Meine Ma war mit Tom und mir im Bauch demonstrieren (die Zwillinge wurden 1989 in Leipzig geboren, d. Red.) und wir kennen die ganzen Geschichten, die natürlich aus heutiger Sicht unfassbar und wahnsinnig spannend sind. Aber wir haben Deutschland ja immer nur als vereint kennengelernt.
Ist Berlin euer musikalischer Neubeginn?
Bill Kaulitz: Vor einem Jahr wurden wir von den Red-Bull-Studios nach Berlin eingeladen, um unser neues Album „Dream Machine“ zu produzieren. Wir sind gerne in der Stadt, haben hier mit den Aufnahmen begonnen, die in Los Angeles beendet wurden.
Tom Kaulitz: Wir sind vor allem hier, weil Berlin für uns zu den fünf aufregendsten Städten der Welt gehört. Das Nachtleben ist hier das Beste. Zur Fashion Week und Berlinale waren wir in der Stadt ständig unterwegs. Berlin mit seinen Clubs inspiriert unsere Arbeit, wir erleben hier viel, was in unsere Musik einfließt.
Die hat sich verändert ...
Bill Kaulitz: Unsere Songs sind elektronischer geworden, sind weniger kommerziell. Ich liebe zum Beispiel Depeche Mode. Zum ersten Mal haben Tom und ich die Songs alle selbst geschrieben und auch produziert, machen nur die Musik, auf die wir richtig Bock haben und die wir lieben. In der Vergangenheit gab es auch schon mal Kompromisse. Wir haben viel mit anderen Songwritern und Produzenten zusammengearbeitet und da prallen Egos aufeinander. Darauf hatten wir bei dieser Platte keine Lust mehr. Wir hatten das Gefühl, wir brauchen keine anderen Leute mehr zu involvieren.
Tom Kaulitz: Ja, da gab es immer mal Diskussionen und Unstimmigkeiten, wie man was sagt, singt oder mischt. Jetzt können wir ungezwungener arbeiten und das fühlt sich gut an!
War das der Grund, warum Tokio Hotel pausierte?
Bill Kaulitz: 2010 drängte es uns zu einer Pause, um uns neu zu inspirieren und unser Leben umzustellen – künstlerisch und privat. Endlich einmal ein Haus einzurichten, den Kühlschrank selber zu füllen, in der Natur spazieren zu gehen, einmal ganz normale Sachen wie jeder andere auch zu machen. Es gab ja für uns als Jugendliche kein Privatleben.
Tom Kaulitz: Na, ja – das einzige Privatleben, das man in diesem Alter hat, ist, sich im Kinderzimmer einen runter zu holen. Wir befanden uns jahrelang in einem Nonstop-Rausch. Die Auszeit war die richtige Entscheidung, um nun wieder gerne auf Tour gehen zu können.
Gustav, Sie sind Vater geworden. Hat man da Zeit, auf Tour zu gehen?
Gustav Schäfer: Es wird schon funktionieren. Ein Weg, um die Familie und meine Lütte zu sehen und sich um sie zu kümmern, wird sich finden.
Wann gibt es bei Tom und Bill Kinder?
Bill Kaulitz: Die Familienplanung liegt bei uns nicht in der ersten Kategorie. Wir fühlen uns für eigene Kinder noch zu jung. Vielleicht in zehn Jahren, wer weiß.
Ihr spielt in kleinen Hallen. Ist der Kreischalarm vorbei?
Bill Kaulitz: Bei uns wird es auch wieder laut. Vor 2000 bis 8000 Leuten zu spielen ist doch geil. Und die Tour wird klasse, wir präsentieren erstmals eine aufwendige Elektro-Show.