Es muss ein gutes Gefühl sein, wenn man weiß, die Fan-Base ist noch da...
Bill Kaulitz: Das ist total cool! Das war immer unglaublich. In den vier Jahren haben wir auch immer mal wieder Awards gewonnen. Unsere Fans haben immer so Gas gegeben. Auch in der Zeit, als wir eigentlich nichts gemacht haben. Diese Unterstützung von den Fans ist schon unglaublich und nicht selbstverständlich. Vor der Pause wurde uns gesagt: Das könnt ihr nicht machen, das ist "career-suicide". Wir haben das in Kauf genommen. Wir wollten eben kein Album machen, das uns nicht gefällt oder nur halb geil ist. Aber wir brauchten die Zeit einfach persönlich. Und letztendlich war es dann doch kein "career-suicide".
читать дальше Wieso sind Sie 2010 mit Tom nach Los Angeles gegangen?
Kaulitz: Zum Schluss hat es hier einfach keinen Spaß mehr gemacht. Wir konnten neben unserer Karriere kein privates Leben aufbauen. Der Ausgleich hat gefehlt. Nachdem dann noch bei uns eingebrochen wurde, haben wir uns gesagt: Wir suchen hier nicht wieder ein neues Haus und bauen uns ein Gefängnis, in das man nicht reingucken kann. Innerhalb von vier Wochen haben wir geplant, unsere Sachen gepackt und sind abgehauen.
Welche Dinge konnten Sie in Deutschland nicht mehr machen?
Kaulitz: Eigentlich alles. Das fängt schon beim Pizza-Bestellen an. Oder im Hotel, da haben wir mit Decknamen eingecheckt. Wir können hier nicht zu lange an einem Ort bleiben. Wir hatten ständig Security dabei. Uns sind immer 20 Leute hinterher gefahren und 50 standen vor dem Haus. Dann findet dein Privatleben hinter Tor und Zaun und innerhalb der eigenen vier Wände statt. Vom Leben und der Welt bekommt man nichts mehr mit.
Wie war das dann in L.A.?
Kaulitz: Es war komplett anders. Morgens habe ich mich gefragt: Was mache ich heute? Gehe ich ins Restaurant oder hole ich mir einen Kaffee? Die ganz normalen Dinge eben, zum Beispiel seinen Tag selbst zu planen. Wenn ich jetzt mit meinem Hund rausgehen will, müsste das erst organisiert werden. Wenn man unterwegs ist, ist das okay, aber privat möchte man das einfach nicht. Man braucht den Ausgleich und den haben wir in L.A. dann gefunden.
Dort konnten Sie wie normale 20-Jährige leben...
Kaulitz: Absolut, wir haben in Nachtclubs gefeiert, sind hier und da mal abgestürzt. So, wie das andere in unserem Alter auch machen, ohne, dass es am nächsten Tag in der Zeitung steht. Wir wollten keine Storys mehr über unser Privatleben. Die Musik stand zu wenig im Vordergrund: Es war viel interessanter, was wir sagen oder machen, wo wir wohnen, was wir tragen und mit wem wir schlafen. In den vier Jahren haben wir keine Interviews gegeben, um wieder etwas Ruhe reinzubringen.
Was hat Ihnen an L.A. nicht gefallen?
Kaulitz: Zum Beispiel, dass alle Clubs um zwei zu machen. Um 1:45 Uhr bekommst du deinen letzten Drink und um Punkt 2:00 Uhr geht in jedem Club und in jeder Bar das Licht an. Man muss also schon nachmittags zu trinken anfangen. Daran werde ich mich nie gewöhnen! Das nervt mich sogar so sehr, dass ich mittlerweile fast lieber nach New York ziehen würde. Außerdem vermissen wir das deutsche Brot, Pflaumenkuchen und das schnelle Fahren auf der Autobahn.
Gustav, was haben Sie und Georg in der Zeit gemacht?
Gustav Schäfer: Sowohl Georg als auch ich haben Städte bereist, in denen wir tatsächlich schon hundertmal waren, aber außer dem Flughafen und dem Hotel nie etwas gesehen haben. Georg war genau wie ich auch zum ersten Mal in Paris. Dort sind wir beiden zum ersten Mal U-Bahn gefahren!
Zum ersten Mal überhaupt?
Schäfer: Ja, zum ersten Mal in meinem Leben. In Paris. Wir waren auch auf dem Eiffelturm, das komplette Touri-Ding mit Anstellen und so. Das hat Spaß gemacht!
Wurden Sie erkannt?
Schäfer: Nein, tatsächlich nicht. Das war ein gutes Gefühl.
Also auch für Sie beide eine Pause...
Schäfer: Ja, wir haben auch die fehlende Zeit mit den Familien nachgeholt. Zum Beispiel sonntags einfach mal zusammen Mittag essen. Und das Feiern haben wir natürlich auch nicht ausgelassen.
Warum ausgerechnet jetzt das Comeback?
Kaulitz: Für uns fühlt es sich nicht nach einem Comeback an. Bis Ende 2011 waren wir noch auf Tour in Südamerika, Japan und Russland. Dann haben wir eineinhalb Jahre Pause gemacht. Das hat sich nicht so lang angefühlt. Dann fingen wir wieder an, Musik zu machen und ins Studio zu gehen. Wir haben nicht vier Jahre die Beine hochgelegt. Früher war das ja normal, dass Bands mal vier Jahre kein neues Album herausgebracht haben. Und wir hatten uns nie aufgelöst. Es war klar, dass wir irgendwann wieder ein Album machen. Nur der Zeitpunkt war nicht klar.
Machen Sie sich Sorgen um die Zukunft? Was ist, wenn Sie irgendwann mal keinen Erfolg mehr mit Ihrer Musik haben?
Kaulitz: Nach dem vierten Album sind wir da relativ entspannt. Ich glaube, wir werden immer eine Zukunft mit Musik haben. Das kann man relativ selbstbewusst sagen. Wir haben uns über die letzten zehn Jahre eine ganz gute Base geschaffen, die immer da sein wird. Das hat weniger mit dem Erfolg eines einzelnen Albums zu tun. Außerdem gibt es in der Musik ja noch viele andere Bereiche: Tom will zum Beispiel für andere Leute schreiben und produzieren.
Können Sie sich nichts anderes vorstellen?
Kaulitz: Nein. Ich bin unglaublich dankbar dafür, dass wir alle den Weg gehen konnten. Ich kann mir nicht vorstellen einen normalen, anderen Beruf zu machen, den ich eigentlich gar nicht machen will. Wir haben das Glück, jeden Tag das zu machen, was wir lieben und gerne machen und wozu wir uns auch berufen fühlen.
Wolfgang Joop findet Ihren Style gut. Was bedeuten Ihnen Mode und Style? Ist das Kunst für Sie?
Kaulitz: Ja, total. Mode ist neben der Musik meine zweite, große Leidenschaft. Für mich geht das auch Hand in Hand. Ich sehe mich nicht als Singer-Songwriter, der auf der Bühne steht und nur singt. Ich war schon immer eher Sänger und Performer. Ich mag es, eine Show zu haben. Wir machen auf Tour viel mehr, als nur unsere Instrumente zu sielen. Mode gehört da genauso dazu für mich. Ich habe mir nebenher auch einige Träume in dem Bereich erfüllt: Mit Fotografen, Labels und Designern gearbeitet, mit denen ich schon immer mal etwas machen wollte. Wolfgang habe ich sehr lieb gewonnen und wir verstehen uns sehr gut. Er ist ein toller Designer. Ein großer Traum von mir ist, irgendwann eine Modelinie zu machen. Den will ich mir irgendwann erfüllen. Aber auch da möchte ich mir die Zeit nehmen, um es ernsthaft zu machen. Ich will nicht einfach nur meinen Namen irgendwo drauf schreiben. Es gibt auch schon Entwürfe und Namen, die ich schon seit mehreren Jahren mache. Bis jetzt war der Moment noch nicht da, aber der wird irgendwann einmal kommen.
Aber jetzt ist erst mal die Musik dran?
Kaulitz: In nächster Zeit ist erst mal das Album dran. Wir sind wahnsinnig viel unterwegs und haben keine Minute im Terminplan für andere Sachen. Darum wird das noch ein bisschen dauern.читать дальше
www.n24.de/n24/Nachrichten/Panorama/d/5585476/d...
@темы:
Gustav Schafer, Густав Шефер,
interview, интервью,
Bill Kaulitz, Билл Каулитц,
Tokio Hotel, Токио Отель, Токио Хотель,
СМИ, пресса, press