Tokio Hotels geheimer Rückzugsort in Wentorf
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Am Südring 46 in Wentorf fuhren vor drei Jahren noch Bandmitglieder von Tokio Hotel ein und aus. Mark Suer hat das Grundstück erworben.
Wentorf. Eine unscheinbare Gewerbehalle hinterm Südring war ein geheim gehaltener Rückzugsort der Band Tokio Hotel.
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Wentorf. Fotos vom Stammgast Jörg Pilawa hängen an der Wand des Schnellrestaurants. Ein Bild von Gregor Graf von Bismarck ist darunter angepinnt. Erinnerungen an den letzten Sommer, als Samoru Wu, Maliwan Martens und Wiwan Saptaeng die Gäste einer Gartenparty im Schloss Friedrichsruh bewirtet hatten.
Im unscheinbaren Thai-Imbiss am Südring geht die Prominenz ein und aus. Und manchmal bemerken die Kultköchinnen zwischen Curry, Gemüse und Saté-Spießen nicht gleich, wer da gerade hereinspaziert.
Refugium für Weltstars
Vor drei Jahren zumindest waren es Jungs, die am liebsten „Nr. 51, Bratnudeln mit Garnelen“ bestellten. Hätte sich das herumgesprochen, wären wohl Massen weiblicher Teenies zu dem „Thai-Asia-Wok“ gepilgert. Aber gerade das wollten die Stars von Tokio Hotel wohl vermeiden. Deshalb hatte ihr in der Region verwurzelte Manager für die Weltstars ein Refugium in einer umwucherten Gewerbehalle gefunden, wo die Band nach dem Karriere-Hype für kurze Zeit Ruhe finden konnte.
Eingeweihte mussten schweigen
Wenn die schwarzen Limousinen am Südring eintrafen, öffnete sich am Südring 46 nur kurz das Tor, um sich sofort wieder, durch eine Alarmanlage gesichert, zu schließen. Eingeweihte waren zur Verschwiegenheit verpflichtet. Nichts hallte nach außen. Kein Ton von „Durch den Monsun“ oder „Don’t Jump“ drang durch die schalldichten Wände. So wunderte sich auch Mark Suer, der 2014 das 1800 Quadratmeter große Areal übernommen hatte, über den Hinweis, dass eine berühmte Band drinnen sitzt. Erst bei Übernahme der Mietverträge sah er, dass es Tokio Hotel war. Auch er hat dichtgehalten. „Aber jetzt ist genug Zeit vergangen“, sagt er, auf das Geheimnis aus anderer Quelle angesprochen. „Die Jungs waren Topmieter und bodenständig.“
Jetzt weiterer „Cerberus“-Standort
Inzwischen ist der Unternehmer mit dem „Cerberus“- Lagerhaus, dem Onlinehandel, seiner Beteiligungsgesellschaft Eligo Ventures GmbH und acht Mitarbeitern in die 200 Quadratmeter große Halle eingezogen. Neben Reinbek und Geesthacht ist Wentorf der dritte Firmenstandort.
Wo ehemals alles verdunkelt war, wertvolle Gitarren und Schlagzeuge unter schalldicht abgehängten Decken lagerten, wird heute mit Kaminen, Ersatzteilen und Immobilien gehandelt. Der 37-jährige Neu-Kröppelshagener hat schon früh Fuß in der Internetbranche gefasst und sich selbstständig gemacht. Ohne Promistatus erwirtschaftet er inzwischen einen siebenstelligen Umsatz in Wentorf.
Die berühmte Band hat wohl keine Gewerbesteuer nach Wentorf gebracht, dafür aber bisher unentdeckte Popgeschichte in den Hallen hinterlassen. „Hier standen eine Tischtennisplatte und Hanteln, in der anderen Ecke eine große Sofa-Lounge, wo die Jungs vor einem Riesenflachbildschirm abhängen konnten“, erzählt Suer, bevor er im Verkaufsraum eine Stufe höher steigt. „Das war die Probebühne“, sagt Suer.
Bassist packt beim Umzug an
Viel von der Einrichtung ist noch da. Im Luxus haben Bandmitglieder hier nicht übernachtet, eher wie in einer improvisierten Studentenbude. Auch die Küche und das kleine schlicht geflieste Duschbad blieben, als die Band vor einem Jahr auszog und der Lagerverkauf von Suer einzog. Georg Listing und Gustav Schäfer haben beim Umzug selbst angepackt.
„Georg Listing wollte sogar vom Baumarkt einen Rasenmäher kaufen, um den Rasen zu mähen“, erinnert sich Suer. Zu dem sympathischen Bassisten, der wieder in seiner Heimatstadt Magdeburg lebt, hat er heute noch Kontakt, sagt Suer. Zur Freude der 16-jährigen Nachbarstochter, denn die hat zu Weihnachten ein Plakat mit den Autogrammen der Musiker bekommen. Ein Anruf bei Georg Listing genügte.
In Wentorf hat die Band vielleicht auch das eine oder andere Mal für ihr Comeback an dem Album „Kings of Suburbia“ Ideen gesammelt. 2014 hatten sie ihr Revival in der Sendung „Wetten, Dass..?“. Davor hatten sie sich rar gemacht, das letzte Album lag da schon ein paar Jahre zurück.
Austausch über den Immobilienmarkt
Für Suer ist es keine Überraschung, dass die Musiker, die nach ihrem 2005 erschienenen Debütalbum „Monsun“ schon als Jugendliche Stadien füllten und weltweit Millionen Mädchen in Ekstase versetzten, sich nach einer Pause selbst finden mussten. Der Marketing-Experte ist selbst in der Medienbranche groß geworden, war für eine große Firma für das Online-Marketing verantwortlich.
An seiner Erfolgsgeschichte lässt er jetzt auch einen der „Jungs“ von Tokio Hotel teilhaben. „Wir tauschen uns manchmal über den Immobilienmarkt aus“, verrät er und kehrt nach einem Rundgang durch die Halle und die Büros zurück an seinen Schreibtisch, neben dem einst ehemalige Bandmitglieder geschlafen haben.
Die Zwillinge Bill und Tom Kaulitz (25) machen seit ihrer Kindheit zusammen Musik. Bei einem Auftritt 2001 trafen sie Gustav Schäfer (26) und Georg Listing (29). 2003 wurden sie vom Musikproduzenten Peter Hoffmann entdeckt. Sony BMG Music Entertainment nahm sie unter Vertrag. Hoffmann holte David Jost und Pat Benzner mit ins Produzenten- und Autorenteam. 2005 nahm die Universal Music Group die Band unter Vertrag, die sich von da an Tokio Hotel nannte.
Neues Album noch 2016
2010 flüchtete die Band vor zu viel Öffentlichkeit nach Los Angeles. Seit September 2015 hat Tokio Hotel einen internationalen Kooperationsvertrag mit Studio 71, dem Multi-Channel-Network der ProSiebenSat.1-Group. Das Berliner Unternehmen betreut das Online-Bewegtbildangebot mit dem Channel TokioHotel TV. Vergangenen Januar gab die Band bekannt, dass sie in Berlin an einem neuen Album arbeitet. Es soll noch 2016 erscheinen. die Band will das neue Album selbst produzieren. Zudem gab der Sänger Bill Kaulitz bekannt, ein Soloalbum veröffentlichen zu wollen.
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